Das an Brauchtum reichhaltigste Fest und das Fest schlechthin in den Banater schwäbischen Dörfern war das ursprünglich dem kirchlichen Jahreskreis zugeordnete Kirchweihfest.
“Mer red so lang vun dr Kerweih, bis se doo is!“ Die Kerwei war ein Fest der ganzen Dorfgemeinschaft, das man mit allen Verwandten und guten freunden der Familie feierte. Es kamen Gäste aus den Nachbardörfern, der Stadt und sogar aus dem Ausland, soweit das möglich war. Die Kerwei war das wichtigste und meisterwartete Ereignis des Jahres. Für diesen Tag machte man alles blitzsauber – Haus, Hof, Straße wurden herausgeputzt.
Die neuen Kleider für die Kerwei mussten genäht werden. Für das Festessen bereitete die Hausfrau schon alles am Samstag vor. Kerweibraten, Kuchen, Torten und der Wein, “de Kerweiwein“, wurden bereitgestellt. Schon Wochen vorher suchten sich die Buben, “die mitmachten“, ihre Kerweimädchen, und jeder wollte da schon gerne eine finden, die er auch mag. Sie wählten dann auch den ersten und zweiten “Geldherrn“. Diese verhandelten mit der Musikkapelle, verwalteten die Kasse, bestellten den Wein und mussten alles einkaufen, was man für das Fest brauchte: Rosmareinstrauß, Seidenbänder, Hut, Seidenkopftuch. Außerdem erwarben sie einen Schafbock und dingten einen “Bockknecht“, der das Tier zu betreuen hatte. Der Rosmareinstrauß wurde von den “Geldfrauen“(die Mädchen der Geldherrn) und den anderen Mädchen mit Farbigen Seidenbändern geschmückt und in eine Quitte gesteckt. Um die Quitte wurde ein weißes, geschlungenes Taschentuch gewickelt. Vor der Kerwei haben sich die Mädchen abgeredet, wie sie sich zusammenstellen um mit ihre “Buwe“ essen zu gehen. Mal hier, mal dort, so dass jeder an die Reihe kam.
Beim Hutputzen hielten sich die Mädchen an die Gepflogenheiten des Dorfes und verwendeten nur den jeweils üblichen Schmuck: Bänder in Bestimmten Farben und Musterungen, Kunstblumen und Maschen.
Am Kerweisamstag war es endlich soweit. Die Kerweibuben versammelten sich in Begleitung der Musikkapelle beim ersten Geldherrn, von dort zogen sie den neu gestrichenen Kerweibaum abzuholen. Der Kerweibaum. “Maibaam“ genannt, wurde auf einem Wagen, von vier Pferden gezogen, bis in die Ortsmitte oder vor das Kulturheim gebracht, wo er dann aufgestellt wurde. An der Spitze war eine schöne Krone mit farbigen Bändern befestigt, ebenfalls ein neuer Hut und ein seidenes Kopftuch für die Verlosung. Ein etwa zwei Meter tiefes Loch für den Baum wurde vorher vom “Kerweivatter“ gegraben. Die im letzten Jahr dort Vergrabene Weinflasche wurde herausgenommen. Nicht nur die “Kerweibuwe“, alle Männer haben geholfen mit “Stricke un Leitre“ den langen schweren Baum aufzustellen. Vor dem Baum wurde ein großes, leeres Weinfass aufgestellt. Das war das Podium für die Geldherrn, von dem sie die Kerweigäste begrüßten und den Kerweistrauß versteigerten.
Am Kerweisonntag, in aller Früh, gingen die Kerweibuben mit einer geschmückten Weinflasche und Lose für “Maibaam“, Hut und Tuch zu Verwandten, Bekannten und Freunde, um sie einzuladen und Lose zu verkaufen. Der Hausherr musste einen Schluck von dem Wein trinken und durfte sich einige “Zettel“ ziehen – dafür gab es natürlich immer Kerweigeld. Spätestens um neun versammelten sich die Kerweipaare bei der ersten “Geldfrau“. Von dort ging es mit Vorstrauß und Musik in die Kirche. Während der Messe blieb der Festzug im Mittelgang der Kirche stehen. Der Strauß wurde gesegnet. Nach der Messe wurde der Pfarrer, Bürgermeister und Lehrer mit Musik zum Kerweifest eingeladen. Danach spielte man die erste Geldfrau nach Hause.
Nach dem festlichen Mittagessen ging es weiter. Das “Schauen- Gehen“ zählte auch zu dem Brauchtumskreis der Kerwei. Jedes Teilstück der festlich fröhlichen Abfolge – die Versteigerung von Hut und Kopftuch, die des Vorstraußes und besonders die Umzüge im Dorf – wurden gerne in Augenschein genommen. Die großen Augenfreuden boten selbstverständlich die Trachtenpaare. Die Kerweijugend versammelte sich beim zweiten Geldherrn. Von hier ging es im Kerweizug mit Marschmusik zur zweiten Geldfrau und von da zum ersten Geldherrn. Zuletzt holte man die erste Geldfrau, wo der Vorstrauß war, ab. Der Kerweizug zog mit dem Kerweistrauß voran durchs Dorf zum Festplatz vor dem Kulturheim. Immer wieder hörte man den Ruf: “Buwe was han mir heit?“ und die Antwort: “Kerwei!“. Am Festplatz war die ganze Gemeinde und viele Schaulustige aus anderen Gemeinden versammelt. Nach dem Eintreffen des Kerweizuges stellten sich die Kerweipaare und auch alle anderen kreisförmig um den “Maibamm“ und das Fass. Der erste Geldherr stieg mit dem Strauß auf das Fass, begrüßte die Kerweigäste mit einem feierlichen Kerweispruch auf Hochdeutsch und lud sie ein mit der Jugend das Fest zu feiern. Mit dem Zuruf “un zum Stickelche“ forderte er die Musikanten zum Spielen auf. Nach ihm bestieg der zweite Geldherr das Fass. Er begrüßte die “Kerweigäst“ mit einem Lustigen “schwowische Kerweispruch“:
Seid gegrießt, ihr liewe Leit,
mir halle unsri Kerweih heit,
un nach scheener alter Sitt,
feiert´s ganzi Dorf heit mit.
Mit Stolz, mit Ehrfurcht un mit Freid,
tran mir die Tracht aus alter Zeit.
Kerwei is des Fescht, wu unsre Schwowe
Sich nach altem Brauch luschtig austowe.
An der Kerwei soll m´r niemand kränke,
drum grieß ich alli in der weiti Welt,
die ehrlich an die Heimat denke.
Die Jugend freit sich schun uf de Tanz,
die Alti uf de Wein un uf die gebrotni Gans.
So en Rosmarein mit Bänder, rot gel un bloo,
macht ganz gewiß e jede vun uns froh.
Mädle, wer will de scheene Strauß?
Der bringt eich de beschte G´ruch ins Haus.
Mir blut es Herz, wenn ich dran denk,
dass nor ens vun eich den kriet als Gschenk.
Zuerst wurde der “Maibaam“, dann Hut und Kopftuch verlost und zuletzt wurde der Vorstrauß versteigert. Nach alter Sitte gehörten Vorstrauß und Musik zusammen. Hätte ein Außenstehender den Strauß ersteigert, wäre mit ihm auch die Musik an den Erwerber gegangen. Um dies zu verhindern oder wenigstens zu erschweren, begann der zweite Geldherr die Versteigerung mit den Worten:
Do te Rosmarein schen geputzt mit Benner,
Versteigre mr jetz, uf dr Erd is kener schener.
Geht dr Strauß aus dr Gsellschaft raus,
wird jede Lei bezahlt. Doch wenn e Kerweibu ne stait,
machts nor e Zehntl aus.
Die Musich klingt so schen,
werd uf jede Fall mit dr Kerwei gehen!
Mir han jetzt alles expliziert,
greift in de Sack un letzitiert!
............ zum erstemol!
Es gab viele Eifrige, die sich immer wieder überboten. Als dann alle den Atem anhielten, in Gedanken “dr hats gschafft“, rief er laut: “Zum erschte, zum zweite und zum (kurzes Anhalten) trinke mr mol!“. Er hob die Flasche und trank einen kräftigen Schluck. Dann ging es so weiter mit Witz und Spannung bis endlich einer den Strauß erworben hatte. Der “Kerweibu“, der den Vorstrauß ersteigert hatte, Vortänzer genannt, übernahm den Strauß auf dem Fass und überreichte ihn dann seinem Kerweimädchen. Anschließend tanzte er mit der Vortänzerin einen Walzer um den “Maibaam“; dasselbe taten erster und zweiter Geldherr und alle anderen Kerweipaare. Nach dem Walzer ging es dann mit Blasmusik und viel “Juhe“ ins Kulturheim. Dort wurde der Vorstraußtanz getanzt. Erst nachdem alle Kerweipaare getanzt hatten, gingen Verwandte und Bekannte tanzen. In der Mitte vom Saal saßen nun die zwei Geldherrn mit einem Teller: jeder der mit dem Vorstrauß und der Vortänzerin getanzt hatte, hat einen Geldschein in den Teller gelegt. Danach wurde bis zum Abendmahl getanzt. Am Abend versammelte sich das ganze Volk wieder im Kulturheim. Um acht Uhr sind die Kerweipaare einmarschiert und es wurde bis in die Morgenstunden getanzt. Gegen Mitternacht sind die Kerweipaare dann Essen gegangen, das war die Zeit für die Verheirateten, die tanzten bis die Jugend zurückkam. So war das drei Tage nacheinander.
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Jeden Nachmittag (Montag und Dienstag) wurde die Vortänzerin vom Kerweizug von zu Hause abgeholt und mit Musik ins Kulturheim begleitet. Am Kerweidienstag um Mitternacht hat die Musik einen Trauermarsch gespielt und die “Kerwei wor gstorb un is begrab gen!“. Endgültiger Abschluss war die “Nachkerwei“ eine Woche später. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Geldherrn schon alle Rechnungen geprüft; war ein Manko vorhanden, musste jeder Bursche seinen Anteil in die gemeinsame Kasse bezahlen.
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Vielerorts wurde im Wirtshaus von den Männern auf der Kegelbahn ein Schafbock “ausgescheiwelt“. Die gezahlten Gelder dienten der Kerweikasse. Der Gewinner des Schafbocks ließ sich gewöhnlich mit Marschmusik nach Hause spielen und veranstaltete einen “Paprikasch-Owed“.
Ein Bild von 1972
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